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Ella Ehlers,geb. Schimpf

30.5.1904 in Dresden - 9.4.1985 in Bremen



Ella Ehlers 1984

Ella war das jüngste von drei Kindern eines Glasers und Tischlers, ihre Mutter war zunächst Arbeiterin in einer Zigarettenfabrik, arbeite jedoch nach der Geburt der Kinder als Zigarettendreherin in Heimarbeit. Ihre Eltern waren Mitglied der SPD, traten aber 1914 aus Proteste gegen die Zustimmung zu den Kriegskrediten aus und wurden 1920 Mitglied der KPD. Schon im Alter von acht Jahren trug sie durch das Austragen der Leipziger Volkszeitung zum Lebensunterhalt der Familie bei. Nach dem Abschluss der Volksschule 1918 arbeite sie eineinhalb Jahre in der Kinderstation eines Krankenhauses und wäre danach gern Kranken-schwester geworden, was aufgrund der Armut der Eltern nicht möglich war. Sie arbeite in einem Sanatorium als Haushaltshilfe. 1922 wurde sie Mitglied des KJVD1 und im gleichen Jahr konnte sie aufgrund einer "Freistelle" den Beruf einer Kindergärtnerin, bzw. Kinderschwester erlernen. Ab 1924 war sie in einer Kinderbewahranstalt für Halbweisen und Kinder kriegsversehrter Väter beschäftigt.
Im Februar 1924 wurde sie im Kinder-erholungsheimheim der Roten Hilfe - gegründet von Heinrich Vogeler - tätig und ab 1926 war sie Leiterin dieser Einrichtung, die Kinder betreute, deren Eltern in den Unruhen nach der Novemberrevolution ums Leben gekommen waren oder aus politischen Gründen im Gefängnis saßen. Gustav Regler, der sich 1933 in Worpswede aufhielt bevor er floh, diente sie als Inspiration für eine Hauptfigur in dem Roman "Das Ohr des Malchus".

Eheschließung und gemeinsame politische Aktivitäten
In Worpswede lernte sie 1926 Adolf Ehlers kennen. Er war von 1921-1923 Politischer Leiter des Kommunistischen Jugendverbands Bezirk Nordwest und von 1923-1927 Mitglied der Bremischen Bürgerschaft. Im Herbst 1924 war er aus der KPD und deren Bürgerschaftsfraktion als "Rechtsabweichler" ausgeschlossen worden, jedoch Anfang 1926 wieder in die Partei und Fraktion aufgenommen worden. Von 1927 bis 1930 war er in der Propaganda-Abteilung beim Zentralvorstand in Berlin der Roten Hilfe in Berlin tätig. Als er diese Funktion innehatte, besuchte sie ihn dort häufig und beide besuchten kulturelle Veranstaltungen. 1928 heirateten sie, sie nannte ihn zärtlich "Adje".



Von 1929 bis 1931 war sie Leiterin des Kinderheims der Roten Hilfe in Elgersburg/Thüringen. Diese Tätigkeit verlor sie 1929 durch ihren und den erneuten Ausschluss Hermann Ehlers aus der KPD aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu den sog. Rechten .
Das Paar ging nach Bremen und zog in das Haus seiner Schwester Grete, verh. Deisen in der Osternburger Str. Sowohl ihr Mann als auch sie fanden keine Arbeit in Bremen hinzu kam, dass ihr Mann schwer erkrankt war. Sie entschloss sich zum Besuch einer Handelsschule. Anschließen wurde sie in der Lackfabrik Bergolin als Stenotypistin und Kontoristin eingestellt - die Besitzer kannten ihre politische Gesinnung, schützten sie aber. Mit ihrem Lohn mussten beide lange Zeit leben. als Stenotypistin und Kontoristin eingestellt. Erst 1938 fand ihr Mann wieder eine Arbeit auf der AG "Weser", wo er schon von 1918 bis 1923 tätig gewesen war und er wurde innerhalb des Betriebes zur Anlaufstelle für den Widerstand.
Sie waren kulturell sehr interessiert. In ihren Briefen schrieb sie nach dem Krieg, dass sie vor allem dute Bücher und das Theater vermisst habe. Das Ehepaar war mit dem Kunsthistoriker Julius Meier-Graefe eng befreundet und auch mit dem Kunsthistoriker Alfred Hausenstein. Außerdem trafen sie sich regelmäßig mit Gleichgesinnten in einem Skatclub und einem Wanderclub und machten jährlich zwei Urlaubsreisen.

Im Widerstand

Im Herbst 1931 gründete sich die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD -SAP) mit dem Ziel,eine Einheitsfront gegen den Faschismus zu bilden. 1932 schloss sich das Ehepaar Ehlers sowie ihr Schwager dieser an. Sie hatten eine Wohnung in der Waller Heerstr. bezogen, die mit der Machtübernahme Adolf Hitlers zu einem Treffpunkt für die nun illegal arbeitenden wurde. 1933 bekam Adolf Ehlers Arbeit bei der AG-Weser und er wurde innerhalb des Betriebes zur Anlaufstelle für den Widerstand.
Die SAP nahm Kontakt zum ISK in Schweden auf. Ab 1934 schickte August Enderle Material über Seeleute der Internationalen Transportarbeiter Föderation (IFT) nach Bremen. Ella Ehlers reiste zweimal nach Hamburg, um sich mit einer Frau in einem Café zu treffen, die ihr Flugschriften zur Verteilung übergab.2

Nach dem Krieg:Engagement für die Arbeiterwohlfahrt

Nach Beendigung des Weltkriegs trat das Ehepaar wieder in die KPD ein, ihr Mann wurde 1945 Leiter des Arbeitsamts Bremen. Im Mai 1946 traten beide wieder aus der KPD aus und in die SPD ein. Adolf Ehlers war von 1945-1948 Senator für Wohlfahrt und ab Herbst 1946 auch für Gesundheit. 1947 beteiligte er sich an den Vorarbeiten zur Verfassung der Freien Hansestadt Bremen von 1948-1963 war er Innensenator. Sie wohnten nun am Osterdeich 8. Im August 1945 war sie Mitbegründerin der "Bremer Arbeiterhilfswerk" in dem Kommunisten und Sozialdemokraten anfänglich noch zusammenarbeiten, und wurde dessen 2. Vorsitzende. Es verteilte Heringe und Kleider, Brennstoffe und CARE-Pakete, Feriencamps für Kinder am Badestrand in Lankenau organisiert und Nähstuben eingerichtet. Auf ihre Initiative hin und durch enge Kontakte zum Schwedischen und zum Schweizer Arbeiterhilfswerk sowie zu den freien Wohlfahrtsverbänden in den USA kam in der Nachkriegszeit eine internationale Hilfs- und Spendenaktion für notleidene Bremer Bürger zustande.Aus Schweden schickte auch Irmgard Enderle Pakete. Auch sich auch Clara Jungmittag, Charlotte Niehaus, Helene Kaisen und Anna Stiegler engagierten sich dort.
Vorsitzende der AWO
1961 wurde sie Vorsitzende der neu gegründeten Arbeiter Wohlfahrt (AWO), bis 1970 war sie Vorsitzende des Kreisausschusses, bis 1980 Vorsitzende des Landesverbandes. Gemeinsam mit Helene Kaisen setzte sie sich für das Nachbarschaftshaus Ohlenhof in Gröpelingen ein, das realisiert werden konnte, weil die Unitarier die Idee und die Ford-Stiftung das Geld gegeben hatten. Es galt als Modellprojekt aufgrund seiner Konzeption der Kleingruppenarbeit für Kinder und Jugendliche und Gruppen von Eltern und älterer Menschen,die zusammen arbeiteten. In der Mainstraße wurde ein Heim für ledige Mütter einrichtet,in dem allerdings auf einer Etage auch junge Frauen untergebracht waren, die in Bremer Betrieben als Auszubildende oder Beschäftigte arbeiteten und dort Wohnraum und Gemeinschaft fanden.3 Als 1962 in Bremen das schnellste und modernste Flugzeug der Lufthansa in Betrieb genommen wurde, hatte sie die Ehre,es auf den Namen "Bremen" zu taufen.4 Ein weiteres Projekt war das Sozialzentrum Bremer Westen, das am 1.12.1971 eingeweiht wurde und 1991 ihren Namen erhielt.

In der Würdigung anlässlich ihres 65 jährigen Geburtstag hieß es: "Ihr Wille sozial zu wirken paart sich in glücklicher Weise mit dem Gespür dafür, die Möglichkeiten auszuschöpfen."3 1978 - nur wenige Monate nach dem Tod ihres Mannes - wurde ihr in Anerkennung ihrer großen Verdienste im sozialen Bereich das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland von Bürgermeister Hans Koschnik überreicht. 1980 wurde ihr die Marie-Juchacz-Plakette der AWO verliehen. Die letzten Lebensjahre
Auch nach dem Ausscheiden aus der aktiven Arbeit blieb sie bis zu ihrem Freitod Ehrenvorsitzende.
Henning Scherf beschreibt in seinem Buch: "Altersreise - wie wir alt werden wollen" mit bemerkenswerter Offenheit die letzten Lebenswochen von Ella Ehlers: "Sie war damals Mitte siebzig und noch fit. Ich habe sie in ihrer Wohnung ein paarmal besucht und bemerkte, wie es zusehends still um sie wurde. Sie ging nicht mehr selbständig zur AWO, sondern ließ sich nur noch einladen. Und selbst dann überlegte sie lange, ob sie hingehen sollte oder nicht. Ein paar mal habe ich sie mitgenommen zu politischen Veranstaltungen. Ich habe mich mit ihr geschmückt, fand es toll, dass ein junger Sozialsenator wie ich eine alte Dame mit solch einer Biografie…aber ich habe erst mit Verspätung gemerkt, dass sie immer einsamer wurde…Am Schluss hat sie sich in ihrer Wohnung aufgehängt, sie hat sich ein Seil um den Hals gelegt und es an einem Heizungsrohr im Bad befestigt und ist vom Rand der Wanne gesprungen."6 Kaisen erwähnte in seiner Trauerrede nicht, dass sie selbst aus dem Leben geschieden war, aber er schilderte ihre letzten Lebensmonate: "Müde geworden durch den erzwungenen Abschied von ihrem Adje getroffen - ja geschlagen durch den Verlust der Sehkraft, zwischen "himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt" trug sie ihr Schicksal trotz aller Freunde und Freundschaften, trotz aller Begegnungen und Gespräche, allen Mitfühlens und Mitleidens, doch am Ende alleine stehend. Sich nicht mehr - wegen des Versagens des Augenlichtes - in der Umgebung frei zu bewegen und zugleich auf das, in langen Jahren gemeinsamer Zwiesprache gewonnene Gefühl des "Aufeinandereingespieltseins" mit Adolf verzichten zu müssen hat ihre letzten Jahre - bei aller Freundlichkeit, Herzlichkeit und Eingebundenheit im Kreise lieber Menschen doch in eine Einsamkeit geführt, aus der wir - die alten Freunde - sie trotz aller Bemühungen, Aufmunterungen und immer wieder neue Beglückungen nicht befreien konnten. …Aber am Ende war es doch zu viel, das Leid zu groß, der Trost oder die Ablenkung in der Arbeit für andere nicht mehr ermutigend genug."7 Sie wurde auf dem Waller Friedhof begraben, Wilhelm Kaisen, mit dem die Ehlers eng befreundet gewesen waren hielt die Trauerrede.

In Grambke ist ein Weg und in der Dockstraße in Gröpelingen wurde das Sozialzentrum der AWO nach ihr benannt: Sie wurde auf dem Waller Friedhof begraben, Bürgermeister Koschnik hielt die Trauerrede.
Anmerkungen:
1.Kommunistischer Jugendverband Deutschlands
2.Grebing.S. 233
3.Ich selbst habe dort während meiner Lehrzeit drei Jahre gewohnt
5.WK 10.5.69
4.WK 27.2.62
5. WK 10.5.69
6.Scherf, Henning, S. 113
7.Kaisen Wilhelm, Trauerrede
Literatur und Quellen:
Adamietz, Horst: Freiheit und Bindung - Adolf Ehlers, Bremen 1978;
Grebing Helga (Hrsg.) Lehrstücke in Solidarität: Briefe und Biographien deutscher Sozialisten 1945-1949, Stuttgart 1983, S.48-53 u. 327 -328
Marßolek Inge/Ott, René: Bremen im Dritten Reich - Anpassung - Widerstand - Verfolgung, Bremen 1986
Scherf, Henning: Altersreise - wie wir alt werden wollen, Bremen 2013, S. 110-113
Kaisen, Wilhelm, Trauerrede Ella Ehlers 13.4.85., StAB 7.162 56-1
Weser Kurier: 6.5.1970, 27.2.62, 11.7.62, 12.8.66,10.5.69, 30.5.69, 1.7.68./9.7.1978, 12.7.1978, 6.4.1979, 11.4.1985
Marßolek, Inge/Ott, René:Bremen im 3.Reich - Anpassung - Widerstand -Verfolgung, Bremen 1986
Weser Kurier 8./9.7.1978, 12.7.1978, 11.4.1985
Scherf, Henning:Altersreise - wie wir alt werden wollen, Bremen 2013, S. 110-113
Bildquellen:Zeichnung von Marlis Glaser
Ella Ehlers 1925 Barkenhof