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Gesche Margarethe Gottfried, geb. Timm

6.3.1857 in Bremen - 21.4.1831 Bremen
 


Die fünfzehnfache Giftmörderin Gesche Margarethe Gottfried, geb. Timm, verwitwete Miltenberg, muss wohl als die bekannteste Bremerin in der Geschichte bezeichnet werden. So gehört ein Bericht über das Leben und die Untaten der Mutter-, Kinder-, Vater-, Bruder-, Ehemannmörderin zum Standard-Repertoire jedes Stadtrundganges. R.W. Faßbinder machte sie zur Zentralfigur des Trauerspiels "Bremer Freiheit", das Adriana Hölszky vertonte. 1988 wurde das Singspiel auf ein Frauenleben auf der Münchener Biennale uraufgeführt.

Gesche Gottfried wurde zusammen mit einem Zwillingsbruder am 6. März 1785 in Bremen geboren. Sie stammte aus einfachen Verhältnissen: der Vater Johann Timm war Schneidermeister, die Mutter Margarethe Wollnäherin. Die Familie bewohnte zunächst ein Häuschen am Jakobi-Kirchhof, später zog sie in die Pelzerstr. 23 bzw. 27. Nachdem Gesche die Klipp- und die Kirchspielschule besucht hatte, wo sie Unterricht im Rechnen, Schreiben und Religion erhielt, musste sie bereits im Alter von zwölf Jahren im elterlichen Handwerksbetrieb als Wollnäherin mitarbeiten. Als sie zwanzig Jahre alt war, wurde sie mit dem etwas heruntergekommenen, aber vermögenden Sattlermeister und Witwer Johann Georg Miltenberg verheiratet. Aus dieser Ehe gingen fünf Kinder hervor, von denen zwei kurz nach der Geburt starben. Nach siebenjähriger Ehe vergiftete Gesche Gottfried ihren kränkelnden Ehemann mit "Mäusebutter", mit Butter vermischtes Arsenik. Der Mord blieb unentdeckt, und Gesche schmiedete Pläne, den Weinhändler Michael Christoph Gottfried zu heiraten, zu dem sie bereits während ihrer Ehe mit Miltenberg enge Kontakte geknüpft hatte. Als Gottfried zögerte, beschloss Gesche, alle Personen aus dem Weg zu räumen, die dieser Ehe ihrer Meinung nach im Wege standen. Und so vergiftete sie zwischen Mai und September 1815 - ebenfalls mit "Mäusebutter" - ihre Mutter, ihren Vater und ihre drei Kinder, etwas später ihren Zwillingsbruder Johann.

Doch auch jetzt konnte sie Gottfried, von dem sie inzwischen ein Kind erwartete, nicht zu einer Heirat bewegen. Sie vergiftete ihn im Jahr 1817 und ließ sich mit dem Sterbenden trauen. Drei Monate später gebar sie einen toten Sohn.
Alle Vergifteten litten vor ihrem Tod offenbar tagelang unter furchtbaren Schmerzen, und Gesche pflegte sie zumeist liebevoll und aufopfernd, bis sie starben. Dieses Verhalten, ihr guter Leumund und die Tatsache, dass man Arsen erst seit den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts chemisch einwandfrei im Körper nachweisen konnte, mag erklären, weshalb ein ernsthafter Verdacht gegen Gesche Gottfried nicht aufkam. Sie galt in ihrer Umgebung als eine wohltätige und leidgeprüfte Frau. In den Jahren nach Gottfrieds Tod hatte Gesche einige Liebschaften, litt unter ständigem Geldmangel, verschuldete sich und wechselte mehrmals die Wohnung. Im Jahre 1829 verlobte sie sich mit Paul Thomas Zimmermann, dem Inhaber eines Modegeschäftes. Sie lieh sich von ihm einen größeren Geldbetrag und vergiftete ihn noch während der Verlobungszeit. In den nächsten Jahren setzte sie ihre Vergiftungsserie fort: Weitere sechs Menschen aus ihrem engsten Bekanntenkreis starben, etwa fünfzehn Personen erhielten Arsen in einer nicht tödlichen Dosis und kamen nach kurzer Krankheit mit dem Leben davon.
Am 6. März 1828, ihrem Geburtstag, wurde Gesche Gottfried verhaftet. Sie hatte dem Rademachermeister Johann Christoph Rumpff, der ihr Haus in der Pelzerstraße gekauft hatte, monatelang "Mäusebutter" unter das Essen gemischt, bis dieser Verdacht schöpfte. Rumpff ließ ein Stück vergifteten Schinken von einem Chemiker untersuchen und erstattete Anzeige. Am 13. Mai wurde sie dann in das neugebaute Detentionshaus am Wall (gegenüber dem heutigen Gerhard-Marcks-Haus) verlegt. Nach und nach - unter ständigen Widerrufen - gestand sie die einzelnen Morde.

Schon in dieser Zeit wurde die Gottfried zu einer berühmten Frau. Im Gefängnis wurde sie mehrmals porträtiert. Ein Budenbesitzer stellte an den Senat den ernstgemeinten Antrag, die Inhaftierte während der Freimarktstage ausstellen zu dürfen. Auch die Wissenschaft und die Literatur interessierten sich schon für die Giftmörderin. Juristen, Theologen und Mediziner beschöftigten sich mit ihren Untaten. Mehrere Darstellungen ihrer Lebensgeschichte erschienen und verschiedene Gelehrte versuchten sich an Studien zu ihrem Charakter.

Am 17. September 1830, zweieinhalb Jahre nach ihrer Verhaftung, verurteilte das Obergericht in Bremen Gesche Gottfried "zum Tode. mittels des Schwerdtes".


Ihr Verteidiger Friedrich Leopold Voget beantragte Revision des Urteils beim Ober-Appellationsgericht in Lübeck. Doch das Urteil wurde am 6.4.1831 bestätigt. Die Verlesung und Vollstreckung des Todesurteils gegen Gesche Gottfried erfolgte öffentlich am 21.4.1831 auf dem Domshof. An die 35.000 Menschen, die teilweise schon die Nacht dort verbracht hatten, sollen die Hinrichtung durch das Schwert mitangesehen haben. Der Leichnam wurde obduziert, das Skelett in das pathologische Institut gebracht. Der Kopf der Gesche Gottfried wurde in Spiritus gelegt und im Museum zum Vorteil der Taubstummenanstalt ausgestellt. Dort war er aber schon im Jahr 1913 nicht mehr vorhanden. An die Stelle des Schafotts erinnert noch heute der sog. "Spuckstein" an der Nordseite des Doms, ein großer mit einem Kreuz versehener Pflasterstein. Schon bald nach der Hinrichtung war der Brauch aufgekommen, dass BremerInnen ihre Verachtung und ihren Abscheu über die Mörderin durch Ausspucken zum Ausdruck brachten. An der Töterschaft von Gesche Gottfried besteht kein Zweifel, über ihre Motive ist sehr viel gemutmaßt und spekuliert worden." So hatte auch der berühmte Arzt Wilhelm Olbers mehrfach eine falsche Todesdiagnose gestellt. anstatt kritisch zu hinterfagen, warum die Gesellschaft ihre psychische Erkrankung so lange übersehen hatte, konzentrierten sich die Verhöre und die Berichterstattung ganz auf ihre Person."1
In der Obernstr.lebte sie von 1824-25.



Bereits vier Monate nach ihrer Verhaftung schrieb der Instructionsrichter Senator Droste: "Eine Charakteristik der Inculpatin zu geben, scheint mir bis jetzt eine Aufgabe, die an's Unmögliche gränzt"2 . Ihr Charakter, so schrieb der Senator weiter, erscheine überaus widersprüchlich und die Antriebe ihres Handelns seien dunkel. Andere versuchten, Gründe für die Morde Gesche Gottfrieds in ständigen Geldschwierigkeiten oder in ihrer "Wollust" zu finden. So sah im Jahre 1913 ein "Nervenarzt", der die Akten sorgfältig geprüft haben will, in sexuell motivierter Eitelkeit und in einem Hang zu egozentrischer Sentimentalität die wichtigsten Schlüssel zu den Verbrechen. Sie tötete, um ihre sexuellen Wünsche durchsetzen zu können..., sie mordete aber auch, um sich selber bemitleiden zu können und zu lassen, ja, um ihren Opfern gegenüber die Wohltöterin spielen zu können"3. Sie selbst redete immer wieder von einem Drang, einem Trieb, den sie sich selbst nicht erklären konnte. In dem Gerichtsverfahren wurde der Antrag ihres Verteidigers Voget auf ein psychiatrisches Gutachten von Bremer und Lübecker Richtern abgewiesen.



Autorin:Sabine Toppe(ergänzt EL)


Literatur und Quellen:
1.Walter Dr.Karin: Gesche Gottfried,Beilagezeitung zur Ausstellung Bremer Frauen Geschichten 1.5. - 21.8., Focke-Museum, Porträt 37

Voget,Friedrich Leopold: Lebensgeschichte der Giftmörderin Gesche Margarethe Gottfried, geborene Timm. Herausgegeben von dem Defensor derselben, Bremen 1831

2.Marzahn, Christian: Scheußliche Selbstgefälligkeit oder giftmordsüchtige Monomanie? Die Gesche Gottfried im Streit der Professionen. In: Beiträge zur Sozialgeschichte Bremens, Heft 11/1988 Bremen
3.Schwarzwälder, Herbert: Reise in Bremens Vergangenheit, Bremen 1963, S.164