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Auguste Christine Louise Kirchhoff, geb. Zimmermann
23.6.1867 Asbach - 12.7. 1940 Bremen



Auguste war die Tochter des Justizrates Peter Zimmermann und Caroline Eleonore, geb. Colonius. Sie besuchte eine Höhere Töchterschule.Ihr Bruder nahm sich 1897 das Leben. Währen einer Reise lernte Heinrich Zimmermann die einzige Tochter des Paares kennen und sie heirateten am 4.5.1888 in Neuwied und sie zogen nach Bremen in die Besselstraße 44. Als ihr Mann 1891 Amtsrichter in Bremerhaven wurde, zogen sie dorthin. Hier wurden ihre Kinder Else *1889, und Frido 1890 geboren.



Famliengründung und erstes Engagement


1895 wurde ihr Mann Landgerichtsdirektor. Die Familie ging zurück nach Bremen zunächst in die Roonstraße, dann endgültig in die Graf-Moltke Straße. Im gleichen Jahr wurde die Tochter Margarethe geboren, es folgten 1901 Erica und 1905 Heinz. Sie führten ein geselliges Haus, waren u.a. befreundet mit dem sozialdemokratischen Lehrer Sonnemann wie auch mit Pfarrer Kalthoff. Sowohl ihr Ehemann, der Vorstandsmitglied der Bremer Musikfreunde war, wie auch sie liebten die Musik und alle Kinder lernten Musikinstrumente. Sie nahm bei dem Ungarn Siga Garso Gesangsstunden und gab auch selbst Gesangsunterricht. Die Familie reiste gern und viel. Wie sie mit der Frauenbewegung in Kontakt kam, ist nicht eindeutig nachzuweisen, sicher hat sie mit Interesse die Diskussionen um das Frauenwahlrecht verfolgt und auch der Parteitag der SPD im Casino auf den Häfen 1904 fand sicherlich ihre Aufmerksamkeit, denn sie war mit Rita Bardenheuer befreundet, die 1904 dem Frauenstimmrechtsbund beitrat. Nur ein Jahr später trat auch sie dem Bremer Zweig des Deutschen Vereins für Frauenstimmrecht bei, der sich für das gleiche, geheime, aktive und passive Wahlrecht für alle Menschen, Frauen und Männer aller Klassen einsetzte, sie wurde Beisitzende im Vorstand.
1907 ernannte die Bürgerschaft ihren Mann zum Senator, das hinderte sie aber nicht daran, sich dem radikalen Flügel der Frauenbewegung anzuschließen. Sie wurde auch Mitglied des Vereins "Mütter und Säuglingsheims, der sich für Heime für Kinder ledige Mütter und ihre Kinder einsetzte. Als sie am 15.Februar erstmals öffentlich in Erscheinung trat, erntete sie sofort Protest, denn die Anwohner des Hauses in der Kirchbachstraße, wo ein erstes Heim eröffnet werden sollte, protestierten beim Senat - zum Glück erfolglos.

Aktiv in der Frauenbewegung

Durch ihr immer intensiver werdendes Engagement lernte sie sowohl in Bremen die engagierten Frauen kennen wie auch die aus anderen Städten. So wohnte z.B. Helene Stöcker, Minna Cauer, Marie Stritt, Lily Braun und Lyda Gustava Heymann im Hause der Kirchoffs, wenn sie zu Veranstaltungen nach Bremen kamen."1
Zusammen mit Minna Bahnson, Rita Bardenheuer, u.a. setzte sie sich für die Verbesserung der sozialen Lage lediger Mütter und ihrer von der Gesellschaft abgelehnten Kinder ein, sie gründeten 1906 den Verein Mütter- und Säuglingsheim und eröffneten drei Häuser für ledige Mütter und deren Kinder. Gegen den Vorwurf, der Unsittlichkeit dadurch Vorschub zu leisten, verwies Auguste Kirchhoff auf die herrschende Doppelmoral: "Warum soll denn ein Fehltritt bei der Frau mit dem Ruin eines ganzen Lebens gestraft werden, während dem Mann bei gleichen Vergehen die ganze Welt mit ihren höchsten Ehrenämtern offensteht?"2 1909 wurde Ortsgruppe des Deutschen Bundes für Mutterschutz und Sexualreform gegründet, der sich für eine neue Ethik und eine neue Sexualmoral einsetzte. Dessen Vorsitzende sie wurde. Außerdem gründeten sie eine Beratungsstelle für hilfsbedürftige Frauen und Mütter, die im Guttemplerhaus eröffnet wurde. Sie kämpfte gegen die hohe Säuglingssterblichkeit bei den Arbeiterinnen, beklagte den "Raubbau mit der Mutterschaft" als Verschwendung von Mutter- und Frauenkraft, Gesundheit und Leben. Sie prangerte die Prostitution und die damit verbundene Doppelmoral an und verlangte die Schärfung des sozialen Gewissens der Menschen. Sie wollte jedoch nicht nur soziale Probleme mildern, sondern forderte wie ihre Freundin Rita Bardenheuer eine gesetzliche Mutterschaftsversicherung, Ruhezeiten und andere Schutzrechte für schwangere Arbeiterinnen.
Als es in der Stimmrechtsbewegung zu Debatten über die Frage, welches Stimmrecht zuerst gefordert werden sollte, plädierte sie in einem Vortrag am 30. April 1912 mit dem Titel "Warum muß der deutsche Verband für Frauenstimmrecht sich für das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht einsetzen" für eine solche Entscheidung.

Der Erste Weltkrieg


Der erste Weltkrieg stellte für die Frauenbewegung eine große Herausforderung dar: Sie wurden aufgefordert, durch Hilfsdienste aller und Spendensammlungen zum Sieg beizutragen.
Mit Ausbruch des 1.Weltkriegs 1914 kam zu ihrem Kampf in der linken Stimmrechtsbewegung und ihrem Engagement im Bund für Mutterschutz und Sexualreform ihr Einsatz als Pazifistin. Sie nahm an Versammlungen und Kongressen gegen den Krieg auch außerhalb Bremens teil. Sie machte aus ihrer Ablehnung des Krieges keinen Hehl: An ihre Tochter Else schrieb sie aus Neuwied: Der Krieg wie entsetzlich, bist gestern hielt ich's für unmöglich daß irgend jemand mit frevler Hand die Funken ins Pulverfass Europa werfen würde. Ich stehe ja wohl mit meinen Ansichten ganz allein…aber für mich ist der Krieg Massenmord."3 Mit einem Aufruf appellierten die fortschrittlichen Frauenvereine an die Bevölkerung, die Frauen zu unterstützen und Arbeitsgelegenheiten für sie zu schaffen.
"Der Krieg stellt uns vor eine neue: um die ungeahnte Aufgabe: Jetzt geht es nicht mehr um die Frauen allein, nun galt es den Kampf für die gesamt gequälte, leidende Menschheit, für Frau und Mann, aufzunehmen. Es galt den Krieg selber zu bekämpfen und für den Vökerfrieden einzutreten."4 Es waren keine leeren ‚Worte - als 1915 eine Gruppe Frauen aus verschiedenen Ländern zu einem Internationalen Frauenfriedenskongress nach Den Haag einluden folgte sie und Adèle Schmitz dieser und setzten sich damit über den Appel des Bundes Deutscher Frauenvereine, sich daran nicht zu beteiligen, hinweg. Nachdem sie nach ihrer Rückkehr in den Bremer Nachrichten über die Ereignisse des Kongresses berichtet hatten, sahen sich beide Frauen vehementen Angriffen ausgesetzt: Lissy Susemihl-Gildemeister, Felicie Breyer und Marie Migault verfassten einen Protestbrief und organisierten eine Unterschriftensammlung, in dem den beiden Frauen Mangel an vaterländischer Gesinnung vorgeworfen wurde. Mehr als 100 - überwiegend aus dem ländlichen Bereich um Bremen und einige bekannte Frauen aus Bremen unterzeichneten diesen Brief. Ottilie Hoffmann jedoch verweigerte sich dieser Verurteilung und plädierte dafür, auch eine andere Ideenrichtung gelten zu lassen. Auguste Kirchhoff wurde der Zensur unterstellt und konnte sich nicht mehr öffentlich äußern. Auch innerhalb der Familie stieß sie auf Ablehnung, ihre Tochter Else teilte ihre Auffassung nicht. 1915 gründete sie gemeinsam mit anderen Frauen den Hausfrauenverein Bremen, der die Lebensmittelpreise gegen Wucher und Schwarzmarkthandel überwachen sollte und Frauen schulte, mit den wenigen vorhandenen Lebensmitteln schmackhaft zu kochen.


Friedensarbeit und Kampf gegen Antisemitismus


1919 gründete sie mit ihrer Freundin Rita Bardenheuer die Ortsgruppe der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF) und wurde deren Vorsitzende. 1922 organisierte sie den Jahreskongress der IFFF in Bremen. Im Rahmen dieser Arbeit unterzeichnete sie zahlreiche Anträge an die deutsche Regierung mit. Unter dem Motto "Nie wieder Krieg" wurde 1923 trotz Demonstrationsverbot eine öffentliche Kundgebung durchgeführt, auf der sie als einzige Frau eine Rede hielt. Die Frauenliga setzte sich bis zum 2.Weltkrieg für Abrüstung ein und bekämpfte auch den immer stärker werdenden Antisemitismus. Schon früh warnte Auguste Kirchhoff vor den Gefahren des aufkommenden Faschismus, 1924 schrieb sie: "Wir müssen die Gefahren des Faschismus und des Hakenkreuzlertums für unsere Jugend und unser ganze Volk erkennen und uns gegen diese Kreise richten, die an die Macht der Waffe, an die Macht der Gewalt glauben."4 Sie schrieb unermüdlich gegen den Krieg und reiste zu zahlreichen internationalen Kongressen. Als die Nazis an die Macht kamen, wurden alle Vereine, in denen sie tätig war, aufgelöst und die IFFF verboten.
Ihre letzten Lebensjahre wurden schwer: 1929 verlor sie ihren Mann, ihre Kinder hatten längst das Haus verlassen. Um ihre finanziellen Probleme zu lösen, nahm sie Mieter ins Haus. Sie erlitt einen Zusammenbruch und musste bis zum Lebensende betreut werden. Auguste Kirchhoff starb am 23.Jili 1940. Sie wurde entgegen ihrem Wunsch von 1918 nicht verbrannt, sondern drei Tage später ohne öffentliche Aufmerksamkeit zu Grabe getragen. Kinder und Freeunde bildeten, wie sie gewollt hatte, die Trauergemeinde
In Schwachhausen ist seit 1956 die Auguste-Kirchhoff-Straße nach ihr benannt.

Literatur und Quellen:
Cyrus, Hannelore/Steinecke Verena: Ein Weib wie wir? Auguste Kirchhoff 1867 - 1940, Ein Leben für den Frieden und die Rechte der Frauen - Auguste Kirchhoff (1847-1940), Bremen 1989
König, Johann-Günther: Die streitbaren Bremerinnen. Bremen 1981, S.107-187
Kirchhoff, Auguste " Mensch sein heißt Kämpfer sein", Bremen o.J.
Wottrich, Henriette: Auguste Kirchhoff - Eine Biographie, Bremen 1990
Bachmann,Elfriede: Auguste Kirchhoff. In: Bremische Biographie 1912–1962, S. 271/273.
Cyrus, Hannelore/Steinecke Verena:Ein Weib wie wir, Auguste Kirchhoff (1847-1940) Biografie und Auswahl von Schriften, Bremen 1989
„Mensch sein heißt Kämpfer sein“, Schriften für Mutterschutz, Frauenrechte, Frieden und Freiheit 1914 – 1933, Bremen o. J.
König, Johann-Günther: Die streitbaren Bremerinnen. Bremen 1981, S.107-187
Wottrich Henriette: Auguste Kirchhoff - Eine Biographie; Bremen 1990
Anmerkungen:
1. König, Johann S. 113
2. Wotrich, Henriette S.83
3. Wottrich, Henriette, S.97
4. Kirchhoff, Mensch sein,S.129
Bildquellen: Biogafie Henriette Wottrich
Staatsarchiv Bemen
Publikationen:
Kirchhoff, Auguste: "Mensch sein heißt Kämpfer sein", Bremen o.J.
hier ihr Bericht über den Friedenskongress Den Haag 1915 Mutterschutz, eine soziale und ethische Pflicht,Vortrag am 4.Feb. Bremen 1915
Siebenter Internationaler Kongreß für Frauenstimmrecht in Budapest 1913*
Vom Haager Friedenskongress, 1915*
Frauen und Bevölkreungspolitik
* Unsrer Kinder Land, Leipzig, 1919
* Indische Frauen im Freiheitskampf, 1932*
*alle in Cyrus/Steinecke