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Lindhorn, Lucy

geb. 1850, gest. 8.3.1919 in Bremen
 

Lucy war von 1895 bis 1917 Vorsitzende des Frauen-Erwerbs- und Ausbildungsvereins (FEAV), dem sie seit seiner Gründung als Vorstandsmitglied angehörte. Bevor sie sich in diese Position wählen ließ, hatte sie schon Leitungserfahrung in der 1867 eingerichteten Nähschule des Vereins gesammelt, die sie ab 1870 leitete und die eine Klasse für Weißnäherinnen und einen Schneiderinnenkurs hatte. 1869 reiste sie nach Berlin zur ersten Vollversammlung des Verbandes Deutscher Frauen-Bildungs- und Erwerbsvereine. Als 1870 der Verein zusätzlich eine Ausbildungsmöglichkeit für Kinderpflegerinnen schuf, war sie neben Doris Focke und Henny Sattler eine der Leiterinnen. Ab 1893 wurde sie stellvertretende Vorsitzende und leitete gemeinsam mit Heinrich Otto Reddersen den Frauenerwerbsverein. Des Weiteren gehörten dem Vorstand bis 1895 noch die Herren Lammers, Reddersen und Linné sowie Marie Kalkmann, Anna Gloystein, Dorothee Schwartze, Ottilie Hoffmann, Anna Freese und Elisabeth Schlodtmann an. Emilie Bendel, Felicie Gildemeister, Ottilie Hoffmann und Doris Focke waren bei der Umwandlung des Vereins zu einem reinen Frauenverein beteiligt. Lucy L. wurde vor der offiziellen Neukonstituierung und endgültigen ausschließlich weiblichen Leitung ab 1895 dessen 1.Vorsitzende.

Obwohl sie von Zeitgenossen als eher konservativ beschrieben wurde- sie wandte sich zunächst gegen eine Erweiterung des Stundenangebots der Schule des Erwerbsvereins - entwickelte sich der Verein unter ihrer Leitung stürmisch. Neben den ab 1893 eingeführten Ausbildungskursen in praktischer Krankenpflege (sog. Samariterkurse bis 1916), waren schon im November 1894 Erholungsabende für kaufmännisch und gewerblich tätige Frauen eingerichtet, die in der Verantwortung Ottilie Hoffmanns standen. Diese Abende verfolgten das Ziel, einerseits Entspannung zu ermöglichen, andererseits aber auch das Selbstbewusstsein der Frauen zu stärken, ihnen mit Rat zur Seite zu stehen und ihnen die Möglichkeit des Gedankenaustauschs zu bieten.

Ab 1898 wurden auch Turnkurse angeboten. 1896 eröffnete der Verein ein Stellenvermittlungsbüro, das Verkäuferinnen, Buchhalterinnen, Kontoristinnen und Maschineschreiberinnen vermittelte. Von 1893 bis 1898 hatte der Verein in der Bremer Altstadt, Am Geeren, seinen Hauptsitz. Nach dem Umzug in die Pelzerstraße eröffnete der Frauen-Erwerbs- und Ausbildungsverein (FEAV) 1898 die Wirtschaftsschule mit ihren Unterabteilungen (Kochschule, Bremer Küche - Ausbildung von Köchinnen und Haushälterinnen, Abteilung für Waschen und Plätten). Außerdem gehörte zum Verein die Fortbildungsschule, die Kurse in Fremdsprachen und Handelskorrespondenz anbot.
Von 1898 bis 1909 existierte auch eine Klasse für kunstgewerbliches Zeichnen und Kunsthandarbeit.
1904 schließlich wurde ein Seminar für Hauswirtschaftslehrerinnen eingerichtet. Um die Jahrhundertwende gehörten zum Frauenausbildungs- und Erwerbsverein 10 Abteilungen mit 5 Schulen und 5 anderen gemeinnützigen Einrichtungen. Durch eine Schenkung von Margarete Hachez und weitere Spenden wurde der Kauf eines Hauses am Ansgarikirchhof 10 möglich, das am 1.4.1903 als "Josephinenheim" eröffnet wurde. Es nahm nicht nur Pensionärinnen auf, sondern auch Schülerinnen der Wirtschaftsschule und es sollte eine Unterkunft für durchreisende Frauen und junge Mädchen sein. Die Frauen mussten pro Nacht 2 Mark (incl. Morgenkaffee) zahlen. Leider hatte dieses erste "Frauenhotel" mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen, dennoch bestand es bis 1934.
Die Ausbildungsangebote jedoch prosperierten und das Lehrangebot wurde erweitert. Neu war ein einjähriger Haushaltungskurs für Mädchen, die sich noch nicht für einen Beruf entschieden hatten. 1909 schließlich wurde die Frauenschule unter Leitung Emilie Bendels und Agnes Matthes in einem 1905 angekauften Haus in der Pelzerstraße eingerichtet, 1913 entstand das Seminar für Nadelarbeitslehrerinnen.
Aufgrund schwankender Teilnehmerinnenzahlen und eines Mitgliederschwundes des Vereins ab 1903 kam es zu finanziellen Problemen. Die Ausbildung von Krankenpflegerinnen wurde 1905 beendet, die kunstgewerbliche Abteilung 1909 geschlossen und der Herrenmittagstisch 1910 aufgegeben.
Der Krieg bildete auch für den FEAV einen Einschnitt. Die Unterhaltungsabende wurden im ersten Kriegsjahr eingestellt und viele Vereinsmitglieder beteiligten sich an allgemeinen sozialen Hilfsarbeiten. Angesichts der Kohlennot richtete der Verein eine Lehrwerkstatt und eine Verkaufsstelle für Kochkisten ein, Kurse für Kinderhortnerinnen und Säuglingspflege wurden angeboten. Die kriegsbedingten Einschränkungen machten auch die Notwendigkeit deutlich, sozial fürsorgerisch tätige Frauen sachgerecht auszubilden, und so kam es 1917 zur Eröffnung der Frauendienstschule.
Am 27.1.1917 feierte der FEAV unter Lucy Lindhorn sein 50jähriges Bestehen. In ihrem Bericht konnte sie auf eine sehr erfolgreiche Tätigkeitsperiode zurückblicken. Das Jubiläum war das Ende ihrer Amtszeit, noch ein Jahr leitete sie die kaufmännische Fortbildungsschule. Sie starb 69jährig.



Literatur und Quellen:
Jahresbericht des Frauen- Erwerbs- und Ausbildungsvereins 1908,StAB 3.V.2.Nr.2
Uhlenhaut,Hilda: Die Geschichte des Frauen- Erwerbs- und Ausbildungsvereins Bremen von 1867, Bremen 1988
Meyer-Renschhausen,Weibliche Kultur und soziale Arbeit, Eine Geschichte der Frauenbewegung am Beispiel Bremens 1810 -1927, Köln/Wien 1989

Autorin: Edith Laudowicz