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Gisela Bentz, geb. Helmke

17.7.1920 Elbinsel Krautsand - 2.11.2011 Achim

Gisela Helmke, wurde am 17. Juli 1920 auf der Elbinsel Krautsand vor Glückstadt geboren, wo ihr Vater Alfred Helmke seine erste Lehrerstelle hatte. 1923 zogen die Eltern aus beruflichen Gründen nach Bremen-Hemelingen, wo sie mit fünf Jahren Mitglied im Turnverein Hemelingen (heute Sportvereinigung Hemelingen) wurde. Hier wuchs sie auf, hier übernahm sie dem Vorbild ihres Vaters folgend, ihr erstes Ehrenamt als Jugendwartin im Verein und später im Landesturnverband Bremen (1947 - 1966). Sie war eine begeisterte Geräteturnerin und spielte Faustball und Volleyball. Sie blieb dem SV Hemelingen über acht Jahrzehnte verbunden: Von 1947 bis 1956 als Leiterin einer Volkstanzgruppe und von 1960 bis 2009 als Leiterin von Frauengymnastik-Abteilungen und Gruppen.

Beginn der Lehrtätigkeit

1947 erhielt sie zunächst einen nebenberuflichen Lehrauftrag an der Pädagogischen Hochschule in Bremen für Leibeserziehung. 1948 nahm sie am Jugendtreffen der Turnerjugend der damaligen westlichen Besatzungszonen in Haltern teil. Nach dem Abitur und dem Studium in Hamburg und Marburg arbeitete sie ab 1942 bis 1949 als Lehrerin im Mädchengymnasium "Kleine Helle".1949 heiratete sie den Berufsschulpädagogen und späteren Oberstudiendirektor Jürgen Bentz und 1952 wurde ihr Sohn Harro geboren.

1951 wurde sie an der Pädagogischen Hochschule hauptamtlich im Bereich Schulpraktische Studien, Leibeserziehung im Musischen Pflichtbereich und Wahlfach eingestellt und schließlich wurde sie 1961 zur Professorin ernannt. Schon 1956 hielt sie anlässlich einer Tagung der Deutschen Turnerjugend in Kaiserau ein Referat mit Thema "Steht der Mensch noch im Mittelpunkt unserer sportlichen Arbeit?", mit dem sie für die Leibeserziehung aller Menschen plädierte. Ihr Credo war: "Der Mensch erfährt sich in wesentlichen Begegnungen: im Sehen in der Kunst, im Hören in der Musik, im "Sich-Bewegen", im Turnen, in der Leibeserziehung und im Sport."1

aktiv für Frauen im Sportbung


Gisela Bentz war in der Gründungsphase der Deutschen Sportjugend von 1951 bis 1954 als Mitglied des Arbeitsausschusses (Vorstandes) für die Mädchenarbeit im deutschen Sport zuständig, war von 1958 bis 1961 Bundesjugendwartin der Deutschen Turnerjugend. Sie gestaltete maßgeblich die Olympiafahrten der deutschen Jugend nach Rom 1960 und Tokio 1964 sowie das Olympische Jugendlager München 1972 mit und wirkte ab Ende der 50er Jahre sehr aktiv an der Entwicklung erster Konzepte für die heutige Breitensportbewegung mit.


Im Jahr der Frau 1975 befasste sich der Bundesausschuss Frauensport auf einer Tagung in Bad Hersfeld mit dem Thema "Chancen und Hemmnisse für Frauen im Sport". Ziel der Tagung war, die Situation der Frauen im Sport zu analysieren und Maßnahmen zur fortschrittlichen Lösung ihrer spezifischen Fragen und Probleme zu finden. Als eine der damaligen Verfechterinnen des "Zweiten Wegs des Sports" hat Gisela Bentz jahrelang für ihre Vorstellungen von einem "Sport für alle" ebenso kämpfen müssen wie für eine Gleichberechtigung der Frauen im Sport, die in den beiden Jugendorganisationen des Turnens und des Sports bereits praktiziert wurden.

Professorin an der Hochschule


Bis 1975 war sie Mitglied und später Vorsitzende des Prüfungsamtes für die 1.Lehrerprüfung. Als die PH in die Universität eingegliedert wurde, wurde sie Professorin im Bereich Sportwissenschaft. 1977 beendete sie ihr Hochschultätigkeit.

Während der ganzen Zeit ihrer beruflichen Tätigkeit war sie in der in der Sportbewegung aktiv. Unter dem Motto: "Spiel mit - da spielt sich was ab!", setzte der Deutsche Sportbund Ende der siebziger Jahre neue Akzente: Spielfeste als Großveranstaltungen sollten neue Wege im Sport öffnen: Unter ihrer Federführung wurde nach dem Bremer Spielfest im Jahre 1980 mit einem Team von Übungs- und OrganisationsleiterInnen im Bürgerpark ein ständiger Spieltreff eingerichtet, den sie bis 1990 leitete.

Im Bundesausschuss für Frauensport

In zahlreichen Publikationen hat sie sich vor allem mit der pädagogischen Verantwortung des Sports befasst und auch durch ihr persönliches Vorbild für ihre Überzeugungen geworben. Sowohl auf Bremer als auch auf Bundesebene hatte sie zahlreiche Funktionen inne: Sie war von 1970 - 1974 stellvertretende Vorsitzende des Bundesausschusses Breitensport, von 1974 bis 1978 Mitglied im Bundesausschuss Wissenschaft und Bildung, von 1976 bis 1986 stellvertretende Vorsitzende des Bundesausschusses Frauensport. Im Landessportbund Bremen leitete sie von 1974-1984 das Referat Breiten- und Freizeitsport im Sport- und Verwaltungsrat und war von 1984-1990 Vizepräsidentin des Landessportbundes und Vorstandsmitglied im Bildungswerk des Landessportbundes Bremen. Gisela Bentz erzählt über ihre Wahl: "Auf dem Landessporttag 1986 war ein Vizepräsident zu wählen. Ich wurde vorgeschlagen, da ich seit zwei Jahren diese Tätigkeit kommissarisch ausübte. Vertraulich wurde mir damals ein nicht öffentlicher Kommentar eines ehrenwerten Sportfunktionärs übermittelt: "Diesen Sachverstand und die Persönlichkeit könnten wir gut gebrauchen, den Titel auch, aber warum muss es denn eine Frau sein."2 Der ehemalige Präsident des Bremer Landessportbundes (LSB), Heinz-Helmut Claußen, hat einmal über die engagierte Kämpferin des Sports gesagt: "Ohne Gisela Bentz wäre es vor allem um den Bremer Breitensport schlechter bestellt. Gisela Bentz hat sich um den Sport national und international verdient gemacht."

Ehrungen für das Engagement im Frauensport

Gisela Bentz war die erste Frau, die vom Deutschen Sportbund (DSB) "in Anerkennung ihres Wirkens für Ethos und Menschenwürde im Sport" beim DSB-Bundestag 1992 in Berlin mit der Ludwig-Wolker-Plakette geehrt wurde. Sie erhielt die internationale Auszeichnung der internationalen Olympischen Komitees (IOC). Weitere Auszeichnungen erhielt sie für ihren jahrzehntelangen ehrenamtlichen Einsatz, u.a. die Senatsplakette der Freien Hansestadt Bremen, das Bundesverdienstkreuz, die Jahnplakette des Deutschen Turner-Bundes, den Ehrendiskus der Deutschen Sportjugend und die Ehrennadel in Gold des Landessportbundes Bremen.
Im Jahr 2001 wurde Gisela Bentz im Rahmen der Vollversammlung des Bundesausschusses "Frauen im Sport" des Deutschen Sportbundes mit dem Alice-Profé-Preis, der seit 1997 alljährlich an Personen verliehen wird, die sich für den Sport von Frauen eingesetzt haben, u.a. in der Arbeit in einem Verein, einem Verband, einem Projekt, in der Wissenschaft, im Journalismus oder anderen gesellschaftlichen Bereichen, ausgezeichnet. In ihrem 1999 verfassten Beitrag "Über 100 Jahre Frauenturnen und -sport in Bremen" schildert sie, wie 1860 zunächst die Damenabteilung im Rahmen des Allgemeinen Bremer Turnvereins von 1860 in Zusammenhang mit der Entwicklung der Frauenbewegung und der Veränderung der Arbeitssituation entstand. Auch das gewachsene gesundheitliche Bewusstsein, dass sich in der Frauenbewegung in der Ablehnung von Korsetts artikulierte und in der Bewegung der Reformkleider äußerte, führte dazu, das Forderungen nach Mädchenturnen als Pflichtfach entstanden. Frauenturnen löste eine Debatte über die Schicklichkeit bestimmter Sportarten aus: Das Geräteturnen war höchst umstritten. Gisela Benz zitiert: "[da] mußte man mit Entsetzen...turnende Frauenabteilungen sehen, welche im Geräteturnen die weibliche Scham und Sittsamkeit und den Anstand in unverantwortlicher Weise verletzen! Verboten werden müssten alle ausgedehnten Spreiz- und Grätschbewegungen der Beine, alle Auf- und Umschwünge ... Weg mit allen Übungen, bei denen eine Kleidung notwendig ist, die der Turntracht des männlichen Geschlechts ähnlich ist. Die Ethik verlangt, dass keine Turnübung gewählt wird, welche die weibliche Schicklichkeit und weibliche Wohlanständigkeit verletzt." Gisela Bentz beschreibt die Situation des Hastedter Schauturnens 1903, vorgeführt von der Frauenabteilung: "Dort mußte die Frau des 1. Vorsitzenden anwesend sein, sozusagen als Anstandsdame, damit die Schicklichkeit gewährleistet se; und die Turnhallenfenster wurden mit Vorhängen verdeckt, denn kein Unbefugter sollte einen Blick auf möglicherweise sichtbar werdende Damenbeine werfen können." Ab 1910 wurden Ausbildungskurse für Frauenturnen eingeführt, die von Bertha Menkens in Rahmen der Georg-Wichmann-Turnschule von 1932 - 1956 geleitet wurden. 1910 entstand auch der Verband stadtbremischer Turnerinnenabteilungen, deren Vertreterinnen nur von Frauen gewählt werden konnten.Auch entspann sich eine Diskussion um ein spezifisch weibliches Turnen. Ein weiches, gefühlbetontes Frauenturnen mit starker Akzentuierung gymnastischer und tänzerischer Elemente einerseits versus eines leistungsbetonten Turnstils mit Wettbewerbselementen im Laufen, Werfen, Springen und Geräteturnen. Erst 1923 wurden Frauen gleichberechtigt zum 13. Deutschen Turnfest in München zugelassen


Ihre letzten Lebensjahre lebte sie in einem Seniorenheim. Mit 88 Jahren leitete sie noch eine Turngruppe. "Gisela Bentz war kompetent, der Abstraktion und präzisen Begrifflichkeit fähig. Gisela Bentz hat in der Leibeserziehung Grundlagenforschung betrieben und als Lehrerin in der Unterrichtspraxis umgesetzt. Sie hat sich wegbereitend für die Jugendleiterausbildung, für den Breiten- Gesundheits- und Seniorensport eingesetzt, dabei bescheiden und im Umgang zurückhaltend durch ihr lebenslanges vorbildliches Verhalten in der Einheit von Denken und Handeln überzeugt", sagt der Ehrenpräsident des Landessportbund Bremen Heinz-Helmut Claußen7 über sie.



Literatur und Quellen:
1. die Erste, Von der ersten Bürgermeisterin bis zur ersten Busfahrerin, Bremerinnen auf neuen beruflichen Wegen, Hrsg. Der Senator für Frauen, Gesundheit, Jugend, Soziales und Umweltschutz, Bremen 2008 (zweite Auflage), S. 128-129
2.Friedrich Mevert, DOSB I Presse,Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) Nr. 47/17. November 2009
3.Illusrierte Geschichte vom Turnen und Sport, S. 180
Bremer Turnverband,http://www.dtb-online.de/portal/hauptnavigation/verband/standpunkte-themen/frauen-gleichstellung/frauen-im-portraet.html
4.Alice Profé lebte von 1867 bis 1946 und setzte sich in besonderem Maße für den in den Anfang des letzten Jahrhunderts noch wenig populären Frauen- und Mädchensport ein. In einer Vielzahl von Veröffentlichungen und Vorträgen plädierte sie für die gleiche körperliche Ausbildung von Mädchen und Jungen
7.Gespräch mit H.- H. Claußen am 11.7.2012
Günther, Sandra, die Entwicklung des Frauenturnens in Bremen,in: Streifzug durch die Sportgeschichte: Festschrrift zur Verabschiedung von Harald Braun,Verein für Hochschulsport, Bd.4 2004, S. 277 - 305

Publikationen:
Gisela Bentz/Gudrun Manns: Trimm Dich am Feierabend, Schriftenreihe trimm Dich durch Sport AutorenVerlag, Dt. Sportbund, 1972

Bentz, Gisela: Weg der Gymnastik, Entwicklung der Gymnastik innerhalb der Turn- und Sportvereine: "Vom Freiübungsturnen zum rhythmischen Bewegungen", Referat anlässlich des Deutschen Turnfestes in Hannover 1987, Archiv des Deutschen Turnerbundes Frankfurt/M
Zur Mitverantwortung der Frauen in der Turn- und Sportbewegung, Referat am DTG Kongress, Berlin 1979

Die soziale Stellung der Frau und ihr Einfluß auf die Sporttätigkeit - unter besonderer Berücksichtigung der Überwindung der Distanz von Arbeiterinnen zum Sport, in: Sport als gesellschaftlicher Faktor, DSB Frankfurt
60 Jahre Georg Wiechmann Turnschule, in: der Bremer Turner, Amtliches Organ des Landesturnverbandes Bremen; 38, 1987, S. 4 - 5

Vom Fischbein-Korsett zum Gymnastikanzug, die Rolle der Frau in der Turnerbewegung, in: Neumann, H. (Hrsg.) Deutscher Turnfeste, Bad Homburg, S. 4 - 21

Über 100 Jahre Frauenturnen und Sport in Bremen, in: Braun Harald (Hrsg.) Illustrierte Geschichte von turnen und Sport im Lande Bremen, ein gesellschaftskritischer Beitrag zur Kulturgeschichte, Bd 1, s. 161 - 195


Leibeserziehung als Erziehung durch Bewegung, Bremer Lehrerzeitung, 12/1955
Zur Eigenständigkeit der Leibeserziehung der Mädchen, Bremer Lehrerzeitung, 9/1957


Autorin: Edith Laudowicz