| 
 
 
|  |  
| Gleim, Adelheid, Ilsabetha gen.Betty 13.8.1781 - 27.3.1827 Bremen
 
 
 |  |  
 |  
 Adelheid Ilsabetha (später nur Betty) Gleims Eltern waren der Weinhändler Johann Christian Gottlieb Gleim, ein Neffe des Dichter Ludwig Gleim, ihre
Mutter war Adelheid Tidemann, die Nichte des Bürgermeisters Franziskus Tidemann.(14.1.1760-vor 1815).
Sie hatte zwei Brüder Johann Wilhelm Daniel (*1783),Gottlieb (*1786) Dorothea, genannt Doris (*1788)
Elisabeth (*1789) Marianne Susanne (*1793) Ernestina (*1796). Ihre Mutter wird als klug und weltoffen geschildert.August Kippenberg schrieb über sie, dass "ihr Wissensdurst alles erfasste, was dem Geist Gemüthe und Nahrung zu bieten versprach."1
Schon früh war Lesen ihre Leidenschaft. Im Selbststudium eignete sie sich Geschichtskenntnisse und Geographie an.
Durch ihre Freundin, die Tochter des neu berufenen engagierten Pastoren Häfeli, der mit einer privaten Versuchsschule neue Wege gehen wollte,
in der Kinder aller Bekenntnisse gemeinsam unterrichtet werden, ist sie auch mit neuen pädagogischen Fragen konfrontiert worden.
1799 verbrachte sie ein Jahr in Halberstadt bei ihrem Großonkel Wilhelm Luwig Gleim, Jurist, Literat und Dichter, in Halberstatt Mittelpunkt eines literarischen Kreises. 1804 verlobte
sie sich mit einem Pfarrer, wurde aber bald schon von ihr gelöst.
 1805 bereiste sie verschiedene deutsche Städte um sich über Mädchenschulen zu informieren.
1806 starb ihr Vater und da kein Vermögen vorhanden war, wandte sie sich an Senator Smidt, der ihr Vorhaben unterstützte.
 
 Gründung dr Höheren Lehranstalt 
 Im selben Jahr noch eröffnete sie die Höhere Lehranstalt für Mädchen,für die sie mit folgender
Ankündigung warb: "Da mir das Geschäft der Erziehung von jeher als eines der wichtigsten und interessantesten erschienen
ist und die Lage derjenigen, welche imstande sind, diesem Berufe ihre Zeit und Kräfte zu widemen,stets einen großen Reitz für mich
gehabt hat, so habe längst innig gewünscht, und mich dahin zu bilden bemüht mich diesem Geschäfte widmen zu können. In der
Hoffnung, mich unter diesen Umständen nützlich zu machen, bin ich entschlossen, diesen längst gehegten Lieblingswunsch
Wirklichkeit zu geben."2 Sie wurde 1806 mit vier Klassen am Spitzenkiel am Ende der Knochenhauerstraße eröffnet,sie
war die erste höhere private Mädchenschule. 1812 hatte sie 80 Schülerinnen. Sie verfolgte mit ihrer Schule nicht nur das Ziel, die Mädchen zu befähigen, durch qualifizierte Bildung ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten und einen eigenen
 beruflichen Weg zu finden. Sie kritisierte Behauptungen, das Bildung die Weiblichkeit beinträchtige und von
 ihren eigentlichen Aufgaben abhalten und plädierte dafür, dass Mädchen alle ihre Kräfte entwickeln und üben können
 müssten,denn "tausende sind in dem Unmuth über eine ganz verfehlte Bestimmung in voller Untüchtigkeit und Unthätigkeit trostlos zugrunde gegangen, haben ein Leben hingeschleppt, das kein Leben ist."1Damit Mädchen in die Lage versetzt werden, auch für ihren eigenen Lebensunterhalt sorgen zu können, setzte sie sich für  eine Professionalisierung von Arbeitsgebieten ein, in denen
 Frauen schon tätig waren. Nach ihren Vorstellungen sollten auch auch in den Waisen- und Krankenhäusern sowie Kinderbewahranstalten
 eine Qualifizierung durchgeführt werden.
 
 
 Pädagogisches Konzept 
 Sie sah jedoch Bildung - inspiriert von Pestalozzi - in einem größeren Kontext, indem sie angesichts einer Welt in Unordnung die Frage stellte,
  welche Bedeutung Erziehung des einzelnen für die Entwicklung der Gesellschaft haben sollte.
  Der Mensch kann nichts werden ohne Erziehung, und unendlich viel durch sie. Die Erziehung muss von der Kenntnis des Menschen und von der Beantwortung der Fragen Was war der Mensch? Was ist er
  gegenwärtig? Und was soll er werden? Hieraus ergibt sich das Ziel der Erziehung. Bildung ist nicht der Besitz
  eines "Aggregats von Kenntnissen" sondern dem Geiste Form und Richtung zu geben.3Auch plädierte sie
  für eine allseitige intellektuelle, ästhetische, moralische und religiöse Bildung, die sie in die Lage versetze,
  in ihrem Wirkungskreis tätig zu werden.
  Ab 1808 führte sie einen regen Briefwechsel mit dem Pädagogen Johann Heinrich Philipp Seidensticker, der in Lippstadt
  und später in Soest Gymnasialdirektor war. Ihr Interesse an ihm wurde durch das von ihm verfasste "Declamatorische Lesebuch" geweckt, da
  sie ja selbst ein Lesebuch verfasste.
  1808 erschien auch ein von ihr verfasstes Bremische Kochbuch, das großen Anklang fand und noch heute begehrt ist.1913 veöffentlichte sie anonym die Schrift "Was hat das wiedergeboren Deutschland von seinen Frauen zu fordern? - Beantwortet durch
   einer Deutschen", in der sie sich mit der Frage auseinandersetzte,welche Haltung man angesichts der Belagerung
   Hamburgs durch die französischen Truppen zum Vaterland einnehmen sollte. Um die Unabhängigkeit und Freiheit wiederherzustellen, plädierte sie
   für die "Dreieinigkeit von Gemeingeist, Vaterlandsliebe und Vaterlandsstolz,4, Motive, die viele  Frauen in dieser motivierten, Hilfsvereine
   für die Opfer der militärischen Auseinandersetzungen und für die verarmte Bevölkerung zu gründen. Die Kriegserfahrungen waren auch
   ein entscheidendes Motiv, sich für eine nationale Einheit einzusetzen. In einem Brief an Seidensticker schildert
   sie ihre Erfahrungen mit der französischen Besatzung: "wahrhaftig, wer nicht selbst mit uner dem französischen Joche
   gesessen, darf gar nicht mitsprechen.Aber wir, wir Hanseaten, haben es erfahren. sechs Monate außer dem Gesetz, 6 Monate
   allen Gräueln des Belagerungszustands Preis gegeben, da haben wir empfunden, was es heißt, von französischen Ottern und Scorpionen
   gezüchtigt zu werden. Erpressungen, Ungerechtigkeiten, Bosheiten aller Art  begeneten täglich, und man durte sein Elend nicht einmal
   klagen; im Gegentheil mußte man seine Zunge bewachen, damit  der Grimm sich nicht einmal gewaltsam Luft machen.(Kippenberg merkt
   zu ihren Äußerungen an, dass sie sich in ihrem Werk mehrfach gegen den einseitigen Patriotismus, der andere Generationen
   gering achtet, ausgesprochen und insbesondere auch die lobenswerten Eigenschaften des französischen Volkes alle Gerechtigkeit
   widerfahren lasse. Die erklärliche Erbitterung gegen die französischen Unterdrücker lieh aber auch den Mildesten die
   schärfsten Worte."5
 Reisen und Ausbildung zur Lithographin      Nach zehnjähriger Tätigkeit an ihrer Schule kam es zu Konflikten mit Eltern und zu Zwistigkeiten zwischen ihr und ihre Freundin Madame Auburtin.
Sie verließ die Schule und reiste nach England , "wo sie allerdings .. die erhofften Arbeitsmöglichkeiten nicht fand. Zurück in Bremen, wurde sie von einer Verwandten
nach Elberfeld gerufen, um dort eine Bildungsanstalt für höhere Töchter zu gründen.Sie kam dieser Bitte nach, verließ diese Schule allerdings schon 1817 wieder und
trat mit einem jungen Mädchen, dessen Erzieherin sie war, eine Reise nach Süddeutschland und in die Schweiz an. In Yverdon besuchte sie Pestalozzi und lernte
bei dessen Schüler Peter Schmid Pestalozzis Zeichenmethode. In München entdeckte sie Alois Senefelders Lithographie. Nachdem sie einige Monate Senefelders Schü-
lerin gewesen war, kehrte sie 1819 mit einem Lithographen und einem Drucker nach Bremen zurück, beantragte und erhielt die Konzession für die Errichtung einer li-
thographischen Anstalt. Im Mai 1819 richtete sie in der Bornstraße eine Werkstatt ein, »und man sah Betty Gleim, mit der schwarzen Arbeitsschürze angethan, eifrig
drucken."6 1920 gab sie diese Werkstatt wieder auf. Im Oktober 1819 gründete sie erneut eine Mädchenschule.Ihre neue Mitarbeiterin war ihre aus Oldenburg stammende Freundin
Sophie Lasius. Über die Beziehung wird gesagt, sie sei von engster Vertrautheit gewesen. Nach langer Krankheit und körperlichem Erschöpfungszustand starb sie 1827 in den Armen ihrer Freundin.
 Literatur und Quellen:
 Bremische Biographie, S.186
 Allgemeine Deutsche Bibliographie, Bd. 49, Berlin 1971
 Drechsel, Wiltrud Ulrike, Höhere Töchter, zur Sozialisation bürgerlicher Mädchen im 19. Jahhundert, Beiträge zur Sozialgeschichte Bremens, Heft 21, S. 33 - 42)
Meyer-Renschhausen, Elisabeth: Weibliche Kultur und soziale Arbeit, Köln/Wien 1989
 Kippenberg, Augsut, Betty Gleim - ein Lebens- und Charakterbild - als Beitrag zur Geschichte der deutschen Frauenbildung
und Mädchenerziehung, zugleich erwachsenen Töchtern eine Mitgabe für das Leben, Bremen 1882
 Pilz Elke; Betty Gleim : Pädagogin aus Leidenschaftin: Bedeutende Frauen des 19. Jahrhunderts: Elf biographische Essays / Hrsg.: Pilz, Elke. Würzburg, 2010. S 9-22
Ortsfamilienbuch Bremen und Vegesack,Ki.Bu.St.Ansgarii, S.=1796/585A
 
 Publikationen
 Bremisches Kochbuch, nebst einem Anhange wichtiger Haushaltsregeln und der Angabe und Vergleichung der vornehmsten deutschen
Maße und Gewichte, Bremen 1908
 Lesebuch zur Uebung in der Declamation, Bremen 1. Teil 1809, 2. Teil 1810
 Fundamentallehre oder Terminologie der Grammatik der deutschen Sprache, Bremen 1810
 Erziehung und Unterricht des weiblichen Geschlechts. Ein Buch für Eltern und Erzieher,Bremen 1810
 Erzählungs- und Bilderbuch zum Vergnügen und zur Belehrung der Jugend, Bremen 1810
 Fundamentallehre oder Terminologie der Grammatik, mit besonderer Hinsicht und Anwendung auf die Grammatik der deutsche Sprache,nach den pestlozzischen Methoden, bearbeeitet von Betty Gleim
Bremen 1810
 Was hat das wiedergeborne Deutschland von seinen Frauen zu fordern? Bremen 1814
 Randzeichnungen zu dem Werke der Frau von Stael über Deutschland, Bremen 1814
 Über die Bildung der Frauen und die Behauptung ihrer Würde in den wichtigsten Feldern ihres Lebens, ein Buch
für Jungfrauen, Gattinen und Mütter, Bremen/Leipzig 1814
 Anleitungen zur Kunst des Versbaus anhand von Übungsversuchen der Schülerinnen, Bremen 1814
 Anschauungslehre der Sprachformen und Sprachverhältnisse Ein Lesebuch für Kinder , ein Lehrbuch für Eltern und
Kinder, Heidelberg
 Rechtfertigungen einiger Begriffe der Fundamentallehre, Bremen 1815
 Analysirbuch die Regelnlehre der deutschen Sprache betreffend Frankfurt a.M. 1819
 Rechtfertigungen einiger Begriffe der Fundamentallehre, Bremen 1815
 Ausführliche Darstellung der Grammatik der deutschen Sprache: nach dem in ihrer Fundamental-Lehre oder Terminologie der Grammatik genommenen Lehrgänge
 
  Hier finden sie ihr Bremer Kochbuch
 und hier einen Artikel zur Mädchenbildung
 
 Literatur und Quellen:
 Bremische Biographie, S.186
 Allgemeine Deutsche Bibliographie, Bd. 49, Berlin 1971;
 Cyrus, Hannelore: Von gelehrigen und gelehrten Frauenzimmern, in: Diskurs 8, Bremen 1984;
 Meyer-Renschhausen, Elisabeth: Weibliche Kultur und soziale Arbeit, Köln/Wien 1989
 Kippenberg, August, Betty Gleim - ein Lebens- und Charakterbild, Bremen 1882
 Drechsel, Wiltrud Ulrike: Höhere Töchter. Zur Sozialisation bürgerlicher Mädchen, Beiträge zur Sozialgeschichte Bremens, Heft 21, Bremen 2001, hier: Betty Gleim und ihre Theorie der Bildung von 1810, S.33–42
 Kippenberg, August: Betty Gleim – ein Lebens- und Charakterbild, Bremen 1882
 Meyer-Renschhausen, Elisabeth: Weibliche Kultur und soziale Arbeit. Eine Geschichte der Frauenbewegung am Beispiel Bremens 1810 – 1927, Köln/Wien 1989
 Stricker, Käthe: Betty Gleim, in: Bremisches Jahrbuch, Band 40, Bremen 1941
 
 Anmerkungen:
 1.Kippemberg S. 4
 2.ders. S. 11
 3.Prinz, S. 20
 4.Drechsel, Wiltrud, S.68
 5.Briefe von Betty Gleim: (aus dem Jahre 1811 bis 1815)in: [Electronic ed.]: Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung des Deutschen Instituts für
Internationale Pädagogische Forschung (2012),Beteiligte Personen und Organisationen: Kippenberg, August Dokumenttyp: Aufsatz
Erschienen in: Die Lehrerin in Schule und Haus [Elektronische Ressource,https://www.deutsche-biographie.de/sfz21171.html#adbcontent] ;
6.Drechsel,S.39
 Bildquelle: Focke-Museum Bremen, G.F.Schöner
 
 
 Autorin: Edith Laudowicz
In der Bismarckstraße ist ein Kinder- und Familienzentrum nach ihr benannt.
 
 |  |  |