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Maria Krüger, geb. Fraedrich, gesch. Bücking
7.10.1907 Hoch/Thüringen - 7.1.1987 Bremen

Maria Fraedrich wurde als älteste Tochter des Pfarrers Gustav Fraedrich und seiner Frau Charlotte, geb. Hoch in Thüringen (Gotha) geboren. Sie hatte geb. Hoch Sie hatte eine Schwester (Eva) und drei Brüder: Wolfgang, Werner und Willhardt. In Friedrichroda wurde sie 1914 eingeschult. In ihrer Volksschulklasse waren 60 - 70 Kinder und es herrschte eine straffe Disziplin, manchmal wurde diese auch mit Prügelstrafen hergestellt. Die Familie kam 1918 nach Bremen-Horn, damals noch ein Dorf vor einer großen Stadt und lebte im Pfarrhaus mit dem großen Garten, Schweinen, Hühnern und Ziege. Die Erziehung der Kinder war von christlich-liberalen Werten geprägt, alllerdings spartanisch einfach: "So mußte ich z. B. im Sommer barfuß zur Schule gehen, da mein Vater der Ansicht war, daß man nur im Winter Schuhe brauche. Ich ging damals in die Vietor-Schule, das war eine Schule, in die die Töchter der bremischen Gesellschaft gingen. Mein Vater vertrat immer den Standpunkt, daß nicht das, was man an hat, die Person ausmacht, sondern das, was man ist Diese Erziehung verlangte eine gewisse Standhaftigkeit, aber sie gab mir auch eine gewisse Selbstsicherheit. Ansonsten war mein Vater bürgerlich-liberal, und in der Erziehung ließ er uns auch breite Entfaltungsmöglichkeiten."1 Der Vater interessierte sich sehr für Kunst und Literatur und hielt regelmäßig Vorträge und es wurden Leseabende veranstaltet.


Familienfoto der Familie, in der Mitte Maria Krüger


Sie wäre gern Ärztin geworden, aber der Vater verweigerte ihr diesen Wunsch mit dem Verweis auf die Notwendigkeit der Finanzierung eines Studiums für die drei Söhne. Sie half zunächst zwei Jahre der Mutter im Haushalt und besuchte dann 1926 ein Jahr lang die Frauenfachschule des Frauen-Erwerbs-und Ausbildungs-Vereins, deren Leiterin Agnes Heineken sie stark beeindruckte. Dieser Ausbildung schloss sich eine Ausbildung im Kindergärtnerinnen-Seminar des Vereins an. In der Kindertagesstätte Bogenstraße (heute Hans-Böckler-Str.) lernte sie die harten Lebensbedingungen der Kinder der Jutearbeiterinnen kenn. "Ich war über die Lebensumstände der Kinder absolut empört. Ja, und mich damit abfinden, daß die Menschen nach dem Tode getröstet würden, das wollte ich nicht. Ich glaube, mein Christentum war sehr naiv, ich wollte nicht warten, ich wollte, daß unsere Welt hier unten gerechter würde. Ich habe mich gefragt, wie man etwas ändern könne. Die Kirche tröstete mich ja bis auf den Himmel hinterher, das schmeckte mir überhaupt nicht, das fand ich alles zu unsicher, und deshalb guckte ich mir zum erstenmal die politischen Parteien an."2

Ihre erste Stelle trat sie in Weimar in einem Kindererholungsheim an, kehrte aber bald nach Bremen zurück und arbeitete zunächst für kurze Zeit im Isenberg-Kinderheim an der Kornstraße, danach als Volontärin im Bremer Jugendamt. Um sich zur Jugendleiterin ausbilden zu lassen, ging sie 1931 an das Jugendleiter-Seminar im Pestalozzi-Fröbel-Haus in Berlin. Hier wurde sie mit der dramatischen politischen Situation konfrontiert. Die Massendemonstrationen hinterließen einen großen Eindruck auf sie und sie begann, sich polisch zu interessieren und führte Diskussionen mit ihrem Freund Klaus Bücking, der in Berlin Jura studierte und Mitglied der KPD war. 1931 heirateten sie.
Nach Bremen zurückgekehrt, wurde sie selbst Mitglied der KPD, konnte aber aufgrund der Beschäftigung ihres Mannes am Gericht am Parteileben nicht teilnehmen. Am Doventorsteinweg übernahm sie die Leitung der Lese-und Bastelstube.

1933 wurde sie ohne Angaben von Gründen entlassen und ihr Mann sofort verhaftet und im KZ Mißler und danach in Vechta inhaftiert. 1934 wurde ihr erstes Kind Jan geboren. Ihr Mann wurde zwar wieder entlassen, aber 1936 zum erneut verhaftet und zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt. Da sie keinerlei finanzielle Unterstützung erhielt, eröffnete sie eine Leihbücherei, eine Art Tante-Emma-Laden in der Lloydstraße, der rege von Sozialdemokraten und Kommunisten besucht wurde und Anlaufstelle für den Widerstand wurde. 1937 kam ihr zweiter Sohn Bernd zur Welt. 1942 wurde sie verhaftet, da man ihr Verbindung zu einer Hamburger Gruppe unterstellte. Ihre Kinder wurden zu ihren Eltern gebracht. Sie wurde zunächst in das Konzentrationslager Fuhlsbüttel gebracht, dann in das Untersuchungsgefängnis. Da das Gefängnis August 1943 beim Luftangriff auf Hamburg in Mitleidenschaft gezogen wurde, erhielten die Gefangenen einen achtwöchigen Urlaub. Nachdem sie zu Fuß aus dem brennenden Hamburg nach Bremen gekommen war, holte sie ihre Kinder und zog mit ihnen in ein Häuschen im Allgäu, das ihren Eltern gehörte.
Da ihr Mann während seiner Haft zum Nazi geworden war, ließ sie sich scheiden. 1944 heiratete sie Werner Krüger und ihre gemeinsame Tochter Annekatrin wurde im selben Jahr geboren.
Ihre drei Brüder fielen im Krieg.
1946 kam sie aus dem Allgäu zurück und wurde wieder Mitglied der KPD und wurde auf Drängen Käthe Popalls zuständig für die Frauenarbeit innerhalb der KPD. (Der Frauenanteil in der KPD betrug lediglich 20 % und immer mehr Frauen traten aus) Sie wurde auch Mitglied der "Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF) und im VVN/Bund der Antifaschisten sowie der GEW. Sie sie arbeitete auch aktiv im 1946 gegründeten Bremer Frauenausschuss (bfa) mit.

1948 suchte sie wieder eine Tätigkeit als Lehrerin und wandte sich an Mintje Bostedt, Leiterin des Jugendamtes die sie schon von ihrer Ausbilddung in Frauen-Erwerbsverein her kannte. Es wurde ich Oslebshausen eine Sonderschule für Lernbehinderte im unzerstörten Gebäude der katholischen Grundschule eingerichtet,an der sie 1948 Junglehrerin im Schuldienst wurde und dort 27 Jahre arbeitete.In den Klassen wurden lern- und geistig beeinträchtigte Kinder gemeinsam unterrichtet. "Wegen dieser unterschiedlichen Lernziele für unterschiedliche Lebenswelten habe ich mich immer für die Trennung der Bildungsangebote für Lern- und geistig Behinderte stark gemacht. … Gleichzeitig bin ich sehr für die Unterstützung aller Versuche zur Integration, auch das Verbleiben lernschwacher Schüler in der Hauptschule, aber das setzt eine radikale Verkleinerung der Klassenstärken und erhebliche Überarbeitung der Lehrinhalte voraus. Ich hoffe das einmal die Zeit kommt, wo Kinder zusammen erzogen und unterrichtet werden."
In ihre Schulzeit fiel die Gründung des Ortsvereins "Lebenshilfe für das behinderte Kind", gegründet von Georg Gries, dessen Arbeit sie aktiv unterstützte.
Von 1951 bis 1956 war sie Bürgerschaftsabgeordnete und sie gehörte bis 1959 der Landesleitung der KPD an. Nach dem Verbot der KPD 1956 verloren sie und die anderen drei kommunistischen Abgeordneten ihre Mandate in der Bürgerschaft/Landtag, konnten aber auf den Spruch des bremischen Staatsgerichtshofs hin ihre Sitze in der kommunalen Stadtbürgershaft behalten, wo sie bis zur nächtsen Wahl 1959 unter der Bezeichnung Gruppe "Unabhängige Sozialisten" arbeiteten. 1968 war sie an der Neukonstituierung der DKP beteiligt und gehörte bis zu ihrem Tod dem Bezirksvorstand an. Ihre engagierte und manchmal auch unnachgiebige Haltung führte manches Mal zu Meinungsverschiedenheiten mit jüngeren Frauen der DKP - insbesondere in der Diskussion um die neue Frauenbewegung und die Frauenarbeit der DKP. Sie wurde jedoch von allen respektiert und geachtet.Trotz KPD-Verbots konnte sie in der Schule bleiben, die Behörde berief sich auf ihre Unabkömmlichkeit in der Sonderschule. 1973 versuchte schließlich die CDU in Bremen nach 25 jähriger Dienstzeit sie mit einem Berufsverbot zu belegen, was nicht gelang.
In der Todesanzeige der GEW heißt es: "Uns Jüngeren wird die Erinnerung an ihren Lebensmut in schweren Zeiten und ihre kämpferische Fröhlichkeit bei unserer Arbeit weiterhelfen." Der Verein "Lebenshilfe für geistig Behinderte" schrieb: "Mit Frau Maria Krüger wurde unserer Vereinigung eine Persönlichkeit genommen, die unsere Entwicklung von Anfang an verantwortungsvoll mitgetragen hat. Wir verlieren mit ihr eine Frau, die zu jeder Zeit die Sache der behinderten Menschen in Bremen mit außerordentlichem Engagement und Erfolg richtungsweisend vertreten hat." Ihr Grab befindet sich auf dem Riensberger Friedhof.



Quellen:
1.Interview der Autorin 1981.teilweise veröffentlicht in: Weil ich das Leben liebe, Aus dem Leben engagierter Frauen, Köln 1981 S. 112-121
2. ebda
Maria Krüger, gesch. Bücking, Erinnerungen 1907-1970, Hrsg. Bernhard Bücking, 2011
Meyer-Braun,Renate: Die Bremer SPD 1949 bis 1959. Frankfurt a.M./New York 1982
Bildquellen: zur Verfügung gestellt von M.K. an die Autorin
Familienfoto aus Nachlass von Asta Bormuth zur Verfügung gestellt.
Autorin: Edith Laudowicz