St.Catharinen - Beginen in Bremen


Zeichnung von Johann Daniel Heinbach, 1734


Die Möglichkeit für Frauen, sich zu religiösen Gemeinschaften zusammenschließen zu können und in eigenen Häusern zu wohnen, wurde durch die Erlaubnis von Papst Honorius III 1216 ermöglicht. Sie genossen päpstlichen Schutz und durften sich ihre Beichtväter und Geistlichen selbst auswählen. So entstanden die ersten Beginen-Gemeinschaften- (auch Baguinen). Während sich anfänglich Frauen aus städtischen Bürger- und Handwerkerfamilien zusammenschlossen, kamen später auch Frauen aus den ärmsten Verhältnissen hinzu. Sie schlossen sich zu Wohngemeinschaften von mehreren Frauen zusammen und lebten nach einem von ihnen verfassten Reglement. Manche Frauen lebten jedoch allein oder innerhalb ihrer Familie und bezeichneten sich als ebenfalls Begine.
Die früheste Erwähnung der Beginen in Bremen findet sich in einer undatierten Urkunde Erzbischofs Hildebolds von Bremen. Er bestätigte den Beginen beim Dominikanerkloster St. Katharinen das Privileg des Erzbischofs Gerhard II (1219-1258 Bischof von Bremen) Kirchgang, Beichte und Abendmahl bei den Dominikanern empfangen zu dürfen. Das Haus des Katharinenconvents stand an der Museumsstraße, dort wo der Schüsselkorb in den Domshof einmündet.1
1259 befreite der Rat der Stadt das dem Kloster Lilienthal gehörendes Haus St. Nicolai, welches sich in der Nähe der Nicolaikirche befand, von "Wachpflichten und Steuern, allerdings nur so lange, sie wohltätige Arbeit leisten und dort leben."2" 1266 erhielten diese Beginen eine erste Landübertragung. Hildburg Dux, die Tochter des Ratsherrn Hermann Dux, legte in ihrem Testament fest, dass den Beginen ein Landstück im Lehnstätter Feld gehören soll. vorbehaltlich der Nutznießung durch seine Mutter und Ehefrau auf Lebenszeit."3
1278 wurden im Testament des Ratsherren Alexander von Stade sowohl die Beginnen von St. Catharinen wie auch die von St. Nicolai gleichberechtigt mit Haus und Grundbesitz bedacht. Weitere Übertragungen von Landbesitz und Ausstattungen erfolgten. 1382 können sich beide Gemeinschaften aufgrund ihres Landbesitzes, der als Sicherheit dient, ein neues Haus bauen lassen und ab 1390 habe sie nicht nur gemeinschaftlichen Grundbesitz, sondern bewirtschaften gemeinsam ein Meiergut bei St. Jürgen. Im 15. Jahrhundert geben sich beide Gemeinschaften Ordnungen: "Die von St. Katharinen ist auf das Jahr 1426 genau datiert, die von St. Nicolai wird uns im "Calendarium des Baginenhauses" in einer Schrift des 15. Jahrhunderts überliefert, ohne daß ihr Entstehungszeitpunkt exakt zu fixieren wäre. In einer Urkunde von 1443 gibt es eine erneute Übereinkunft mit dem Rat der Stadt: "Die Konvente zu St. Katharinen und St.Johannis mit dem Rath, versprechen sich einander ihre Privilegien zu beschüzzen, und erstere, daß sie die Messe lesen und singen wollen, wann gleich die Stadt Bremen mit Interdikt und Bann beleget werden."4
In der Folgezeit erhielten sie auch weitere Spenden und "allerlei Einnahmen flossen ihnen aus der Besorgnis der Stifter um ihr Seelenheil zu. Die Beginen mußten zum Dank für die Schenkung an bestimmten Tagen Seelenmessen und Vigilen5 für die Verstorbenen lesen….Die Einnahmen aus gestifteten Ländereien und Meierechten nebst Abgaben an Naturalien bleiben sich durch Jahhunderte gleich. Das Kohlland an den Häven erzielt Einnahmen, die Meierhöfe in Oslebshausen, Arbergen, Huchting, am Oster Thor, im Neuenlander Feld, zwei in St.Jürgen, Lehe, Lehesterdeich und in Grolland desgleichen. Einige Bauern mußten Spanndienste leisten, fette Gänseliefern an Martini (10 insgesamt), Butter oder Äpfel regelmäßig abgeben. 1348 verkaufte Heinrich Nortorp ein halbes Land zu Arsten."6
Verwaltet wurden die Gelder von den Vorsteherinnen Magistra/Domina der Häuser bis 1682, dann entschied der Rat der Stadt diese zu übernehmen - dafür eingesetzte Inspektoren legten jährlich beim Rat Rechnung ab. Einsprüche gegen diese Entmündigung blieben erfolglos. So wie sie sich juristisch gegen das Vorgehen des Rates wehrten, wehrten sie sich auch, wenn ihnen berechtigte Zahlungen verwehrt wurden: Gegen den Knappen Detmar Grönung und dessen Frau erreichten sie die "Androhung des Banns, weil diese den Beginen zustehende Einkünfte längere Zeit zurückbehalten hatten."7 Hinsichtlich der Kirchenlehre gerieten sie nicht in Widerspruch, wie sie " der alten Kirche gehorsam waren, so folgen sie auch offenbar widerspruchslos der neuen reformierten Obrigkeit, die sie unter gleichem Namen weiter bestehen läßt." Das Reglement von 1712 schrieb als Aufnahmekriterium ein frommes (lutherisch-reformiertes), gottesfürchtiges, uneheliches Leben und nach der Reformation mussten sie auch Einzahlungen leisten, die Beträge stiegen von 20 Mark 1610 auf 300 im Jahre 1793. Ab 1879 wurden sie nach Alter berechnet: für 41-45 jährige 2250, für 45-50 2050 Mark und für 50 jährige Frauen 1900 Mark.
In die beiden Häuser zogen Frauen aus den höheren Ständen Bremens ein und auch die Erbschaften erhielten sie vorrangig von den ratsfähigen Familien: "Johann de Walle aus dem gleichnamigen ratsfähigen Ministerialengeschlecht überläßt zusammen mit seiner Frau einer Begine in St. Nicolai ein halbes Feld in der Bornstraße126, und die Ratsherrnwitwe Beke Groningh vermacht beiden Häusern Landbesitz in Grambke und Arbergen 127. Von dem Domvikar Christian von Nortlede und dem Domkellner und Chronisten Herbord Schene erhalten beide beträchtliche Geldsummen: einmal je 50 Gulden, das andere mal je 16 Mark bremisch."8
Beginen wurden die Frauen nicht primär aus religiösen Gründen, sondern um in einer an stadtbürgerlichen Werten orientierten Gruppe zu leben um ohne verheiratet zu sein, um ihr Dasein einigermaßen sicher zu gestalten. Frauen, die sich der Gemeinschaft anschließen wollten, konnten dies ab dem 15. Lebensjahr tun und wurden erst nach einer Probezeit endgültig aufgenommen. Laut Statut von 1649 mussten sie im Catharinenstift eine Bettstelle, einen Schrank, einen Tisch und einen Stuhl mitbringen und 40-100 Mark einzahlen sowie eine kleine Geldbörse für Kräuter und Gewürze. Allerdings mussten sie sich einem strengen Reglement, das jeden Zweifel an die Ehrbarkeit der Bewohnerinnen ausschalten soll, unterwerfen: Die Katharinenordnung schrieb vor, dass das Verlassen des Hauses nur mit Zustimmung der Meisterin erlaubt ist, später Ausgang ist überhaupt verboten. Allein in die Stadt gehen dürfen nur Frauen, die bereits mindestens zwölf Jahre in der Gemeinschaft lebten, jüngere dürfen nur nachmittags in Begleitung einer Magd ausgehen. Besuchen sie Freunde, hat eine der älteren Beginen oder eine "ehrbare" Verwandte sie zu begleiten. "Auch ist es den Jüngeren verboten, Gäste ganz gleich, ob diese geistlichen oder weltlichen Standes sind, wenn nicht wenigstens zwei ältere "juncfrouwen" dabei anwesend sind."9 Sollten diese Bestimmungen die Einhaltung des Keuschheitsgebots gewährleisten, so richteten sich andere vor allem gegen Zank und Tratsch. Beim Essen an der gemeinsamen Tafel oder in der Küche war es nicht statthaft, eine andere Begine mit Klatsch und Tratsch zu verärgern, zumal vor den Dienstmägden. Verpönt war es ebenfalls, Streitereien innerhalb des Hauses in die Öffentlichkeit zu tragen oder gar Mitschwestern draußen zu verleumden. Die Sanktionen gegen derartige Verhaltensweisen waren unterschiedlich: drei- bis achttägiger Hausarrest, zusätzliche Gebete und Vigilien, Vorenthaltung von Geldzahlungen bis zum Entzug sämtlicher Rechte, die einem zustanden, und die Isolierung einer Übeltäterin dadurch, daß sich niemand mit ihr abgeben durfte."10 St. Nicolai wurde 1602 aufgelöst und in das sogenannte Rote Waisenhaus umgewandelt. Die dortigen Beginen kamen bei denen Beginen von St. Katharinen unter. "Im Zuge der Reformation wurde "auf obrigkeitliche nitiative eine Lateinschule eingerichtet und im ehemaligen Domikanerkloster St. Katharinen untergebacht….1610 kam es zur Gründung des Gymnasium illustre, einer nach Fakultäten gegliederten öffentlichen Schule, deren Lehrbetrieb dem der Universitäten glich, ohne allerdings akademische Grade zu verleihen. Als einzige höhere calvinistische Bildungsanstalt in Norddeutschland blieb sie von den Wirren des Dreißigjährigen Krieges verschont.Hier wurde am 7. November 1660 im theologischen Auditorium die Biblibotheca Bremensis eröffnet."111625 wurde beschlossen,das "Schwartze Munchen Kloster zu Sankt Katharinen in eine lateinische Schule,nachmals in ein Gymnasium, die Kirche aber zum Zeuchhaus verwandelt worden.12
Ende des 17. Jahrhunderts hatte sich die Bausubstanz des Hauses im Schüsselkorb verschlechtert, sodass ein neues Haus "für 16 unbescholtene Jungfrauen über 40 Jahre alt" gebaut und 1821 mit neuem Namen Catharinenstift eingeweiht wurde. Schon 1823 wurde es um eine dritte Etage erweitert. Ab 1864 hieß es St. Catharinenstift.
1896 machte die kunsthistorische Kommission des Senats den Vorschlag, in den Räumen des Kloster auf 200qm eine Sammlung bremischer Altertümer anzulegen - der Grundstein für das spätere Focke-Museum wurde gelegt. 1905 wurden zusätzlich Räume im Obergeschoss des Domabaus genutzt. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg jedoch wurden diese Räume aufgegeben und das freigewordene Altenheim wurde nun als Museum genutzt. "Der alte Bau an der Weser mit seinem idyllischen Garten bot den herrlichsten Rahmen, und jeder, der das neu erstandene Museum sah, war begeister von seiner Schönheit."12 1911 wurde es für 300.000 Mark an den Senat verkauft, zunächst als Amtsgericht genutzt und 1963 abgerissen.13 Aus dem Erlös des Hauses wurde ein Grundstück an der Parkallee erworben und ein modernes Haus für 29 Bewohnerinnen entstand. Im zweiten Weltkrieg brannten die zweite Etage und das Dachgeschoss aus. Die Stiftung wurde im gleichen Jahr aufgehoben, das noch bestehende Vermögen an die Hansestadt übertragen. Heute befindet sich in dem neu gebauten Gebäude ein Altenwohnanlage.


Literatur und Quellen:
Peters Günter. Norddeutsches Beginen- und Begardenwesen im Mittelalter. Niedersächsische Jahrbuch für Landesgeschichte, Neue Folge der "Zeitschrift des Historischen Vereins für Niedersachsen" Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen (Hrsg.)Band 41/42 1970 , S. 50-118
Ders: Die Bremer Beginen im Mittelalter. Entstehung und Struktur einer städtischen Frauengemeinschaft, in: Niedersächsische Jahrbuch für Landesgeschichte, Band 64, S. 131-182 Cassel, Johann Friedrich, Historische Nachrichten aus dem St. Johanns Closter in Bremen, Erstes Stück,1777,
Carlsson, O. C., 1963.Beginen in Bremen.Mitteilungen. Verein für Niedersächsisches Volkstum, 38 /72 (new series vol. 35), 123. Koster, Peter: Chronik der Kaiserlichen Freien Reichsstatt und Hansestadt Bremen 1600 -1700,bearbeitet und herausgegeben von Hartmut Müller, Bremen, 2004 S.57
Sonderschrift zur Wiedereröffnung des Focke-Museums Bremen am 3. September 1927
Noltenius, Clara: Aus der Geschichte des St.Catharinenstiftes einst Beginenhaus, Bremen 1966
Stahl Irene: Katalog der mittelalterlichen Handschriften der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen , Wiesbaden 2004
Anmerkungen:
1. Noch 1520 wird in einem Testament von dem "swarten nonnenkonventen to sunte Katherinen" gesprochen, Peters, Jahrbuch Bd.41 2. Peters , Jb. 1964, S.134
3. Peters 1941,S.50
4. Cassel, Johann Friedrich, S.7
5. Vigilen sind Gebete, die zu bestimmten Anlässen gebetet werden
6. Noltenius, S.4
7. Peters Bd. 41, S.147
8. ebda, S.154
9. Noltenius, S.5
10.Peters 1965 S.159
11.Stahl S.XVII
12.Sonderschrift zur Wiedereröffnung des Focke-Museums Bremen am 3. September 1927,S. 2 13.Noltenius S.6
Autorin:Edith Laudowicz